Haushaltsrede 2018/2019

Haushaltsrede 2018/2019 der Vorsitzenden
der Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt Wülfrath
Ilona Küchler

 

 Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, 

                                                                                                                                                                                                                   

die Haushaltsberatungen sind in diesem Jahr zu einer Farce verkommen. Dies ist höchst undemokratisch, den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar und für die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die uns durch die Beratungen begleiten „durften“, unzumutbar.

Den Beschäftigten der Verwaltung - hinter und vor den Kulissen - gebührt daher unser besonderer Dank. Wie immer haben Sie sich souverän verhalten und Geduld bewiesen.

Habe ich noch Ende 2016 die Zusammenarbeit in diesem Rat gelobt, muss ich Ihnen – liebe Kolleginnen und Kollegen – dieses Jahr attestieren, dass Sie uns ein Schauspiel der besonderen Art geboten haben. Mindestens fünf Anträge wurden fast wortgleich gebündelt von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen auf der einen und der Wülfrather Gruppe auf der anderen Seite eingebracht. Ich weiß ja nicht – und will es auch gar nicht wissen – wer mit wem, wieso und weshalb nicht kann oder wollte. Ich weiß aber, dass Sie allesamt mit solch einem Verhalten nicht gerade das Vertrauen in die Politik stärken.

Schade, denn gerade in Zeiten, in der die Demokratie so verletzlich ist, sollte besonnen, ergebnis- und sachorientiert gehandelt werden.

Herr Ritsche, hat uns düstere Zeiten prophezeit und eine Reihe von Maßnahmen ins Haushaltssicherungskonzept geschrieben, die es zu entscheiden galt. Damit war nicht nur unser Blick getrübt, sondern der Gestaltungsspielraum begrenzt.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

nicht die Verwaltung und auch nicht die Politik haucht der Stadt Leben ein. Damit will und kann sich unsere Fraktion nicht zufrieden geben.

Aktuell sind es die Bürgerinnen und Bürger Wülfraths, die das gesellschaftliche Leben in der Stadt aufrecht halten.

So ist es der Spielplatzinitiative zu verdanken, dass Wülfrath über einen attraktiven Mehrgenerationenspielplatz verfügt.

Auch der Erhalt des Kleinkinderspielplatzes am Mautweg geht auf eine Elterninitiative zurück, die gekämpft und mit einem stattlichen Betrag unterstützt hat.

2008 haben 30 Wülfratherinnen und Wülfrather den Förderverein Zeittunnel gegründet, um mit viel Engagement diesen kulturellen Anziehungspunkt zu unterstützen.

Die Bürgervereine Wülfrath, Rohdenhaus, Düssel und Flandersbach bereichern die Stadtteile.

Städtische Einrichtungen wie Kitas und Schulen profitieren durch das Engagement der entsprechenden Fördervereine.

Das Theater Minestrone setzt sich für ein diverses Miteinander in unserer Gesellschaft – in unserem Wülfrath – ein.

Mit der WÜRG haben wir einen Verein, dessen beispielhaftes Engagement für die Pflege, Erhaltung und Weiterentwicklung des kulturellen Lebens bereits durch das Land NRW gewürdigt wurde.

Wir haben in der Freiwilligen Feuerwehr zahlreiche Menschen, die eine wichtige Stütze des Notfallsystems sind und dazu beitragen, dass in unserem Städtchen ein guter Sicherheitsstandard gewährleistet ist.

Diese Aufzählung könnte ich fortführen und würde den Wülfratherinnen und Wülfrathern trotzdem nicht gerecht.

Was aber kann und muss Politik tun, um diesen Einsatz zu würdigen, zu wertschätzen. Ab und zu auf einem Stadtempfang Dank sagen? Uns reicht dies auf Dauer nicht.

Etwas zu gestalten bedeutet Ideen zu entwickeln und neue Wege zu gehen. Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger Wülfraths mit ihrer Stadt identifizieren und wertgeschätzt fühlen sollen, dann dürfen wir dies nicht nur auf ehrenamtliches Engagement beschränken, welches die Stadt finanziell und in ihrer Daseinsvorsorge, entlastet.

Vielmehr müssen wir den Mut aufbringen, diese Menschen in Entscheidungsfindungen einzubinden. Und jetzt rede ich nicht davon, zu Informationsveranstaltungen einzuladen. Hier werden den Menschen Konzepte serviert, die sie allenfalls kommentieren dürfen und am Ende entscheidet der Rat der Stadt. Mir schwebt an dieser Stelle ein Bürgerhaushalt vor, der eine Summe X bereitstellt, über welchen die Menschen, mittels Einbringen von Vorschlägen, gemeinsam mit der Politik entscheiden können. Das ist ja das Großartige am digitalen Fortschritt, man könnte, wenn man wollte eine Online-Plattform einrichten, die Bürgerinnen und Bürger Teilhaben und Entscheidungen treffen lassen. Aber – und das ist das größte Hindernis – der Rat müsste mehrheitlich gewillt sein Zuständigkeiten abzugeben.

 

Sehr geehrter Herr Peetz,

mit dem Antrag der Wülfrather Gruppe – „Der Betrieb des Zeittunnels durch die Stadt Wülfrath wird zum 31.12.2020 eingestellt.“ – haben Sie einen Coup gelandet.

Bei dem Abstimmungsergebnis musste ich an den Film denken „Denn sie wissen nicht was sie tun“. Nur handelt es sich bei Ihnen – liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, WG und FDP – ja nicht um halbstarke Jugendliche und so sollten Sie die Tragweite einer Entscheidung abschätzen können.

Ich kann mir wahrlich nicht vorstellen, dass ein potenzieller Träger – wie der Kreis Mettmann - unter Druck eine Übernahme des Betriebes zusichert.

Dass, Sie sich Frau Bürgermeisterin, bei solch einer wichtigen Entscheidung im HFA enthalten haben und heute dem Antrag der WG zustimmen, ist unverständlich. Haben Sie doch noch im Juni dieses Jahres mit Freude die Wiedereröffnung des Zeittunnels begrüßt und die rhetorische Frage gestellt: „Ein Museum in einem alten Zugangstunnel zu einem Steinbruch, welche Stadt hat das schon zu bieten?“ Womöglich haben Sie, Frau Dr. Panke, diese Wülfrather Besonderheit verspielt. Nicht in Ihrer Haut möchte ich stecken, wenn Wülfrath, Fördergelder rückerstatten muss und Sie in Persona Geldgebern Rede und Antwort stehen müssen.

Erst gestern hat der Kreis beschlossen, den Zeittunnel im Jahr 2019 erneut mit einem Zuschuss von 15.000 Euro zu unterstützen. Schade, dass ausgerechnet Wülfrath nun ein verheerendes Signal sendet.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein Bekenntnis zum Zeittunnel statt eines Antrages, der einem Bewerbungsschreiben an den Bundesgerichtshof gleichkommt, wäre auch aus kultureller und bildungspolitischer Sicht, klüger gewesen.

Eine kommunale Haushaltsnotlage darf nicht zur Schließung von Kultureinrichtungen führen. Leider erleben wir gerade ein Déjà-vu. 2005 fiel das Niederbergische Museum dem Rotstift zum Opfer.

Wieder ist es ehrenamtlichen Einsatz zu verdanken, dass dieses Museum – gestützt von einem Trägerverein - weiter zur kulturellen Bereicherung der Stadt beiträgt.

Die Aufgabe des Zeittunnels soll nun jährlich 150.000 Euro in die Kasse spülen. Ich befürchte nur, die Wülfrather Gruppe hat einen Bumerang geworfen und wegducken wird uns nicht helfen.

Auch die Erhöhung der Leseausweisgebühr für die Medienwelt ist Teil des Haushaltssicherungskonzeptes. 2019 sollen so 560 Euro und ab 2020 jährlich 1.340 Euro in den Stadtsäckel fließen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Bildung ist mehr als bloße Wissensvermittlung in Schulen. Es ist ein lebenslanger Prozess bei welchem geistige, kulturelle und lebenspraktische Fähigkeiten erworben werden. Mit jedem Buch das wir aufschlagen, mit jedem Museum, das wir besuchen, erweitern wir unseren Horizont, erlangen Kompetenzen.

Wer von Bildungsgerechtigkeit spricht – und bis weilen tun wir dies ja fraktionsübergreifend – sollte es auch als Pflicht ansehen, Barrieren, die eine Teilhabe an Bildung verhindern, abzubauen.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre sollte doch auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Augen geführt haben, dass Wülfrath sich nicht gesund sparen kann.

 

Perspektivisch bieten zahlreiche Fördermittel von Bund, Land und der EU Einsparpotenzial.

Radwege, Denkmalschutz, Gewässerschutz, Naturschutz, Intelligente Stromnetze, Informationssysteme bis hin zum schnellen Internet – kaum ein Bereich für den kein Fördertopf bereit steht.

Lohnend könnte bei der Akquise von Fördermitteln eine interkommunale Zusammenarbeit mit dem Kreis sein.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

als unumgänglich wird die Erhöhung der Grundsteuer B herbeibeschworen. Immerhin ist diese Steuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Und da man eine Immobilie nicht mal eben versetzen kann - auch eine berechenbare Größe. Gleiches gilt übrigens auch für die Gewerbesteuer. Da traut man sich dann aber nicht ran, da es Unternehmen in der Regel mit einer Standortverlagerung leichter haben. Es sein denn, es handelt sich um Bodenschätze, die man ausbeuten will.

Herr Ritsche und Sie, Frau Bürgermeisterin, argumentieren, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen dringend benötigt würden, um die Sparziele der Stadt zu erreichen. Und Herr Mrstik lässt die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass es sich bei dieser Steuer um eine gerechte Steuer handele. Aber mit der Gerechtigkeit ist das so eine Sache:

Ist es tatsächlich gerecht, wenn diese Erhöhung alle Hausbesitzer und Wohnungseigentümer trifft und über erhöhte Nebenkosten auch die Mieter erreicht?

Ist es gerecht, wenn eine junge Familie, ein Rentner, eine Rentnerin mit viel Fleiß und Mühe eine kleine Eigentumswohnung, ein kleines Häuschen abzahlt/abgezahlt hat, auf diese Weise für das Alter vorsorgt und nun zusätzlich belastet wird?

Natürlich können wir Statistiken bemühen und beliebig interpretieren. Je nachdem, welche Studie man bemüht, reicht die Spannweite der Hebesätze bundesweit von null bis 960 Prozent. Es ist also eine Frage in welche Richtung man schaut. Für unsere Sichtweise zählt jedoch das Fazit: Die Wohnkosten für Eigentümer und Mieter steigen unmittelbar, wenn die Grundsteuer angehoben wird.

Für unsere Fraktion ist es unerträglich, dass immer nur die eine Seite – die Bürgerinnen und Bürger - die Zeche zahlen sollen, während die andere Seite – das Gewerbe – geschont wird.

Verkennen Sie nicht, dass Unternehmen Nutznießer der Wertschöpfung und dem Gemeinwohl verpflichtet sind!

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nun übersteigt ja die Prognose der Gewerbesteuereinnahmen mit einem Plus von rund 800.000 Euro, mit ca. 200.000 Euro die Stumme (nach dem heutigen Stand 599.000 Euro), die durch die Erhöhung der Grundsteuer B generiert werden soll.

Wenn Sie trotz dieser Entwicklung an der Anhebung festhalten, dann frage ich Sie, wo liegt der Mehrwert für die Wülfrather Bürgerinnen und Bürger?

In der Schließung des Zeittunnels?

Der Erhöhung der Leseausweisgebühren?

Der Reduzierung oder Einstellung der Zuschüsse für Ferienmaßnahmen freier Träger?

Der Erhöhung der Eintrittspreise für Hallenbad und Sauna?

Der Erhöhung der Sportplatznutzungsentgelte?

Wir haben nicht per se alle Maßnahmen abgelehnt und die eine oder andere schweren Herzens mitgetragen. Aber wenn der Glaube - dass das Zinstief in den kommenden Jahren nicht weiter bestehen wird, dass der aktuelle Wirtschaftsboom nicht anhalten könne - herangezogen wird, um eine Belastung der Bürgerinnen und Bürger zu rechtfertigen, dann ist dies für uns nicht tragbar.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen.

letztendlich spiegeln Ihre Anträge, Ihr Abstimmungsverhalten pure Hilflosigkeit wieder. Treten Sie endlich Ihren Parteispitzen auf die Füße, damit Kommunen wie Wülfrath wieder handlungsfähig werden.

Sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Parteien die Neugestaltung der Grundsteuer nutzen, um Mieter zu entlasten und Kommunen vor Steuerausfällen zu schützen.

Die positiven Effekte – die uns veranlassten dem Haushalt 2017 zuzustimmen sind leider verblast. Wir hätten uns gefreut Ihnen etwas anderes sagen zu können: Aber die Fraktion DIE LINKE lehnt den Haushalt 2018/2019 ab.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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