Kommentar zum Haushalt 2022/2023

Anmerkung: Wie im vergangenen Jahr haben sich die Wülfrather Ratsfraktionen darauf geeinigt, auf den Vortrag von Haushaltsreden in der Ratssitzung zu verzichten. Einen Haushalt zu verabschieden ohne diesen ausführlich zu kommentieren liegt uns jedoch fern. Daher möchten wir an dieser Stelle die Beweggründe für unsere Entscheidung - den Haushalt 2022/2023 abzulehnen - transpartent machen.

 

Kommentar zur Verabschiedung des Haushaltes der Stadt Wülfrath am 30.03.2022
der Fraktionsvorsitzenden Ilona Küchler

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,

wenn existenzielle Fragen – wie die des Klimaschutzes – von der Kassenlage einer Kommune abhängen und Schuldenabbau für manche politische Vertreter:innen vor allem anderen Vorrang hat, dann scheinen diese die Folgen des Klimawandels zu unterschätzen.

Sie, liebe Vertreter:innen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen sagen, Schuldenabbau habe etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Nun ja, dass an diesem Punkt sich unsere Geister scheiden, ist Ihnen nicht neu. Immer wieder haben wir betont, dass Generationengerechtigkeit in erster Linie bedeutet, den jungen Menschen eine funktionstüchtige Infrastruktur zu übergeben. Was man darunter versteht – ob kulturelle Einrichtungen von Bedeutung sind, wie die Schullandschaft aussehen sollte, wie viel sozialen Wohnungsbau wir benötigen usw. usf. - steht auf dem einen Blatt Papier. Aber an dem Blatt Papier auf dem die Folgen des Klimawandels dokumentiert sind, kommen wir nicht vorbei. Wer also tatsächlich den nachfolgenden Generationen eine halbwegs intakte Welt hinterlassen will, der muss zumindest tatkräftig in den Klimaschutz investieren.

Daher darf die Devise schon aus klimapolitischer Sicht nicht „jährlich eine Million Euro Schuldenabbau“ lauten.

Die globale Erwärmung vollzieht sich schneller als bisher angenommen und verursacht schon heute deutliche und teilweise katastrophale Wetterereignisse. Bereits jetzt haben menschliche Aktivitäten den Planeten um durchschnittlich 1,1 Grad Celsius erwärmt. Wenn nicht sofort einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, ist das Ziel, die Erwärmung auf 1,5 oder zumindest 2 Grad zu begrenzen, nicht mehr zu schaffen. Dies sind nicht meine Erkenntnisse, sondern so lautet die Zusammenfassung des aktuellen Berichts des Weltklimarats (IPCC) von August 2021.

Nur auf Fördergelder von Bund oder Land zu vertrauen, um Maßnahmen zu ergreifen ist folglich unverantwortlich.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn die Mehrzahl der 2.055 Städte Deutschlands mehr oder weniger am Hungertuch nagen und nach Fördergeldern „lechzen“, dann hat dies auch mit einer verfehlten Steuerpolitik zu tun.

Wenn den Parteien – und an der LINKEN liegt dies nicht – im Bundestag und –rat der Mut fehlt, diese Problematik anzufassen, haben eben diese Parteien das Recht verspielt, Generationengerechtigkeit als Argument für Einsparungsmaßnahmen vor Ort anzuführen.

Wie kann es gerecht sein, wenn ein börsennotiertes Transport- und Logistikunternehmen wie Hapag-Lloyd bei einem Vorsteuergewinn von 9,4 Milliarden Euro nur ganze 61,3 Millionen Euro Steuern bezahlt? Das sind gerade einmal 0,65 Prozent. Wer ordentliche Gewinne macht, muss auch ordentliche Steuern zahlen. Dies gilt selbstverständlich für alle Unternehmen, ob sie ihren Sitz in  Hamburg oder in einer kleinen Stadt wie Wülfrath haben. Das Beispiel Hapag Lloyd zeigt jedoch das ganze Ausmaß einer grotesk ungerechten Steuerpolitik. Diese muss endlich auf den Prüfstand und reformiert werden.

Wie kann es gerecht sein, wenn die zehn reichsten Menschen Deutschlands in der Pandemie ihr Vermögen um fast 100 Milliarden Euro steigern konnten, die Zahl der Millionäre und Milliardäre gewachsen ist und gleichzeitig viele Menschen um ihre Existenz bangen und Kommunen wichtige Investitionen auf Eis legen, weil aufgrund mangelnder Steuerreformen das Geld fehlt?

Wie kann es gerecht sein, wenn maßlose Spekulationen, zunehmend komplexere Finanzinstrumente und die Geschwindigkeit, mit der Finanztransaktionen heutzutage abgewickelt werden, die ökonomische Stabilität und die Demokratie massiv bedrohen und die verantwortlichen Entscheidungsträger diesem Treiben wortlos zusehen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

erklären Sie das mal der jungen Generation, wenn Sie von Gerechtigkeit sprechen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

1990 gab es in Deutschland noch etwa drei Millionen Sozialwohnungen. Seitdem befindet sich der soziale Wohnungsbau im steilen Niedergang. Diese Entwicklung macht auch vor Wülfrath nicht Halt. Laut einer von der NRW-Bank im Jahr 2019 erstellten „Modellrechnung zur Entwicklung des preisgebundenen Mietwohnungsbestandes bis 2030“ wird sich die rückläufige Entwicklung des Wohnungsbestandes in den nächsten Jahren weiter verstärkt fortsetzen. Für Wülfrath wird ein Rückgang von 15,3 % prognostiziert. Während sich der Wohnungsbestand zum 31.12.2000 noch auf 531 Einheiten belief, wird mit einem Rückgang auf 450 Wohneinheiten bis 2030 gerechnet. Das Thema Sozialer Wohnungsbau hat Wülfrather Politik ja bereits in einem Arbeitstreffen diskutiert, aber im Ergebnis hat dies zu nichts geführt. Nun hat Schwarz-Grün ins Gespräch gebracht, dass die Stadt leerstehende Immobilien der Stadt und der GWG aufarbeiten möge, um diese kurzfristig anerkannten Asylbewerber:innen zur Verfügung stellen zu können. Schöne Idee. Wir haben aber in Erinnerung, dass sowohl Vertreter der CDU als auch von Bündnis 90/Die Grünen an besagtem Arbeitstreffen teilgenommen haben und wundern uns nun doch sehr, dass diese Möglichkeit von Schwarz-Grün seinerzeit nicht ins Auge gefasst wurde. Womöglich lag es daran, dass die Verwaltung zu diesem Zeitpunkt die Zahlen Wohnungssuchender beziffert hat und auch der Geschäftsführer der Wülfrather Wohnungsbaugesellschaft GWG einen aktuellen Lagebericht gegeben hat. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Wülfrath den Bedarf der Menschen, die auf sozial geförderten Wohnraum angewiesen sind, nicht decken kann. Wenn die städtische Tochter ihrer Verantwortung gerecht werden will und breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen versorgen möchte, dann müssen wir investieren.

Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht es neben Anstrengungen vor Ort und einer festgesetzten Quote auch die notwendigen Maßnahmen des Bundes. Im Jahr 2020 hat die Bundesregierung die Fördermittel jedoch um ein Drittel gekürzt. Hinzu kommt, dass ein Großteil der ohnehin zu geringen Gelder des Bundes gar nicht in den sozialen Wohnungsbau fließen sondern beispielsweise in die Landeshaushalte oder die Eigenheimförderung. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau werden von vielen Ländern zweckentfremdet. Hier ist der Bund gefordert dies zu unterbinden.

Wer von Gerechtigkeit spricht, der muss auch der jungen Generation die Möglichkeiten bieten, ein eigenständiges Leben zu führen. Generationengerechtigkeit beinhaltet auch Verantwortung dafür zu tragen, dass nachfolgende Generationen adäquaten Wohnraum vorfinden. Denn nicht jeder junge Mensch startet mit einem üppigen Gehalt ins Arbeitsleben.

Ungerecht ist es übrigens auch, ein Straßen- und Wegekonzept zu einer Zeit des Umbruchs auf den Weg zu bringen, welches die Beteiligung der Anwohner:innen an den Kosten nicht ausschließt. Bis dato hat die Schwarz-Gelbe-Landesregierung nur eine Willensbekundung vor der Landtagswahl abgegeben. Wie viel diese Wert ist, wird die Zukunft zeigen. Unabhängig vom Wahlausgang, gebieten Anstand und Vernunft, Anwohner:innen zum jetzigen Zeitpunkt die Sorge vor einer hohen Kostenbeteiligung zu nehmen.

Einem Straßen- und Wegekonzept wird unsere Fraktion daher nur zustimmen, wenn sichergestellt wird, dass  Maßnahmen, die aktuell eine Kostenbelastung für Anwohner:innen bedeuten würden, erst nach einer gesetzlichen Neuregelung der Straßenbaubeiträge, die eine Befreiung der Anwohner:innen festschreibt, durchgeführt werden.

Da nicht nur CDU und FDP dies angekündigt haben, sondern auch die SPD dieses Versprechen in ihrem Programm fixiert hat, sollte diese Forderung heute keine Grundsatzdiskussion auslösen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren.

es gibt aber auch positive Entwicklungen, die wir nicht unkommentiert lassen möchten.

Gefreut hat uns:

das einstimmige Ja zum kommunalen Glasfaserausbau. Die digitale Infrastruktur ist Teil der modernen Daseinsvorsorge. Daher ist es wirtschaftlich unsinnig, wenn wichtige Infrastruktur im Wettbewerb von mehreren privaten Firmen errichtet wird, deren Ziel es ist möglichst hohe Profite zu erwirtschaften statt eine gute und kostengünstige Versorgung für alle zu realisieren.

Digitale Infrastrukturen sind ein maßgeblicher Faktor, um Wülfrath als attraktiven Standort für Familien und Unternehmen dauerhaft zu stärken. Unsere städtische Tochter – die Stadtwerke – hat zum richtigen Zeitpunkt die Initiative ergriffen und den Weg geebnet, um allen Wülfrather:innen den Zugang zum schnellen Internet zu ermöglichen. Tatsächlich gehen immer mehr Kommunen diesen Weg und kümmern sich selbst um die Verlegung von Glasfaserkabeln. So gehört das Netz der öffentlichen Hand und hat sich bestenfalls in 25 bis 30 Jahren amortisiert.

Hinzu kommt, dass im Vergleich zu anderen Übertragungs­wegen echte Glasfaserverbindungen schneller, zuverlässiger, aber auch energieeffizienter sind.

 

Gefreut hat uns:

der Rückhalt, den das WIR-Haus bei der Wülfrather Politik genießt. Am 04. April dieses Jahres startet die „WIR-Gemeinde“ mit einem Eröffnungskonzert den Beginn der Reihe Kultur am Montag und wir wünschen von dieser Stelle gutes Gelingen und danken für das unermüdliche Engagement in einer wahrlich schwierigen Zeit.

 

Gefreut hat uns:

die Einigkeit der Wülfrather Politik, um gezielt Verbesserungen in der Kindertagespflege auf den Weg zu bringen. Tatsächlich gibt es keinen Bereich des Erziehungs- und Bildungswesens, der sich in den letzten Jahrzehnten so sehr gewandelt hat und sich noch immer in Veränderungen befindet wie die Kindertagesbetreuung. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter einem Jahr besteht bereits seit 2013. Für viele Kommunen ist das eine Herkulesaufgabe, denn noch immer gibt es nicht genügend Kitaplätze für so kleine Kinder, deren Betreuungsaufwand zudem sehr groß ist. Hinzu kommt, dass bundesweit mehr als 100.000 Erzieher:innen fehlen. Insofern sind viele Mütter und Väter auf die Unterstützung von Tageseltern angewiesen. Wir dürfen aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass es um Bildungs- und Bindungsarbeit, in einem Alter geht, in dem Kinder besonders sensibel und verletzlich sind. Hier muss es unser Ziel sein, perspektivisch ein gut ausgebautes Betreuungsnetz in den Kindertageseinrichtungen sicherzustellen.

 

Gefreut hat uns:

dass die Politik den Mut hat, die Bebauung des Flehenbergs-Süd abzulehnen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die kontroversen Debatten zur 1. Änderung des Regionalplans Düsseldorf. Vorgesehen sind in diesem 420 Wohneinheiten in Düssel-West, 260 Wohneinheiten am südlichen Flehenberg und 260 zusätzliche Wohneinheiten in den Eschen. Seinerzeit waren es nur die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE, die sich vehement gegen die Ausweisung dieser Bereiche als Bebauungsgebiete ausgesprochen haben. Zu diesem Zeitpunkt hat unsere Fraktion bereits darauf verwiesen, dass täglich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland um 60 Hektar zunimmt und auf die gravierenden Folgen dieser Entwicklung aufmerksam gemacht. Je mehr Flächen wir versiegeln, desto mehr fruchtbarer Boden geht verloren und Lebensräume für Pflanzen und Tiere verschwinden. Zudem gelangt weniger Wasser in den Boden, es gibt weniger Grundwasser, wodurch wiederrum Trinkwassermangel und Dürreschäden begünstigt werden. Auch das Risiko für Hochwasser steigt, denn das Wasser versickert nicht gleichmäßig im Boden. Die Wassermassen werden in Kanalisationen geleitet, die bei starkem Regen überlaufen können.

 

Gefreut hat uns:

  • dass in puncto Personalangelegenheiten Bewegung ins Spiel kommt. Es ist eine kluge Entscheidung, die Stelle des Klimaschutzmanagers dauerhaft in den Stellenplan einzurichten. Nachdem wir mehrere „Anläufe“ genommen haben, haben wir seit Ende 2020 mit Herrn Schlüter einen Klimaschutzmanager, der Akzente setzt, sich um die Akquise von Fördergeldern kümmert, die Einführung eines kommunalen Energiemanagementsystems forciert und weitere Themen auf die Tagesordnung setzt. Damit diese wichtige Aufgabe, die uns über Jahre fordert, nicht dem Zufall überlassen wird, ist die personelle Verstetigung im kommunalen Klimaschutz unerlässlich. Diese Herangehensweise entspricht unseren Vorstellungen, die wir Anfang 2016 im Blick hatten, als sich unsere Fraktion mit der Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten befasste und einen entsprechenden Antrag an den Ausschuss für Umwelt und Ordnung gestellt hat.
  • die Einplanung – sprich Aufnahme – einer zusätzlichen halben Stelle (0,5 VzÄ) für die städtische Kulturförderung. Ich verrate nichts Neues, wenn ich sage, dass unsere Fraktion immer auf die Bedeutung kultureller Bildung hingewiesen hat. Kulturelle Bildung ist der Schlüssel zu gesellschaftlichem Zusammenhalt. Kulturelle Bildung eröffnet Chancen, fördert das Verständnis füreinander und überwindet Grenzen und Gegensätze. Insofern freuen wir uns, dass ein Kulturentwicklungsplan unter Einbindung der Kulturschaffenden, der Bürger:innen, der Politik und Verwaltung auf den Weg gebracht werden soll. Ob hierfür ein externes Planungsbüro benötigt wird, steht auf einem anderen Stern. Dennoch sind wir bereit auch diesen Weg mitzugehen, um einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang zur Kultur zu ermöglichen und Räume für Dialog und transkulturellen Austausch zu schaffen.
  • die Einrichtung einer zusätzlichen halben Stelle (0,5 VzÄ) im Tiefbauamt, um die Baumaßnahmen im Zuge des Ausbaus des Glasfasernetzes im Stadtgebiet zu begleiten. Einziger Wermutstropfen: Es handelt sich um eine für drei Jahre befristete Stelle. Wissend wie schwierig es ist, kommunale Mitarbeiter:innen zu gewinnen, wünschen wir der Verwaltung bei der Ausschreibung dieser Stelle viel Glück. Da der Ausbau des Netzes bereits Mitte dieses Jahres beginnen soll, drängt die Zeit und viele „Versuche“ eine geeignete Bewerberin oder einen geeigneten Bewerber für die Stadt Wülfrath zu gewinnen, bleiben nicht.

Da ich gerade beim Thema Personal bin, möchte ich noch zwei Punkte benennen, die uns wichtig sind.

Punkt 1: Es besteht immer noch die Möglichkeit für Kommunen Kund:innen des Jobcenters gemäß §16 i SGB II die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Leider haben im Kreisgebiet im Jahr 2021 kommunale Arbeitgeber diese Fördermöglichkeit kaum genutzt, sodass insgesamt nur 10 Personen vermittelt wurden. Nach wie vor ist das Aufgabenspektrum einer Verwaltung breit gefächert. Es wäre also sinnvoll hier immer wieder zu eruieren, ob die Möglichkeit in Betracht kommt, Menschen eine „zweite Chance“ einzuräumen und gleichzeitig die Beschäftigten der Verwaltung bei übertragbaren Arbeitsabläufen zu entlasten.

Punkt 2: Auch wenn wir zum zweiten Mal in Folge keine Haushaltsrede halten und wir diese Stellungnahme „nur zu Papier geben“, ist es uns ein Anliegen allen Beschäftigten der Wülfrather Stadtverwaltung unseren Dank auszusprechen. Als Verwaltungsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter sind Sie stets mit hohen Erwartungen konfrontiert. Bürger:innen wollen mit ihrer Verwaltung einfach, schnell und sicher kommunizieren und auch die Politik beansprucht „Ihr Gehör“. Kompetenz und Leistungsfähigkeit wird von Ihnen erwartet und nebenbei müssen Sie Abläufe an die zunehmend digitalisierte Arbeitswelt anpassen. Dieser Tatbestand ist uns bewusst und so wissen wir es zu schätzen, wenn Sie uns Ihre Aufmerksamkeit in Ausschüssen, im Rat, in Arbeitskreisen oder interfraktionellen Runden schenken und uns bei unserem Wirken fachlich zu Seite stehen.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Sie sehen, wir nehmen positive Entwicklungen durchaus wahr und wissen diese einzuordnen.

Gleichzeitig will sich unsere Fraktion nicht zum „Handlanger“ von Schwarz-Grün machen und einen Sparkurs diktieren.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen haben Ihren ursprünglichen Antrag ersetzt und fordern nun den Einstieg in einen systematischen Schuldenabbau. Inhaltlich ändert dies jedoch nichts. Jährlich soll zunächst eine Million Euro große Tilgungshöhe erzielt werden, die dann jährlich auch noch um 2,5 Prozent angepasst werden soll. In Ihrer Pressemitteilung kritisieren Sie, dass Bund und Land Aufgaben ohne entsprechende Gegenfinanzierung an die Stadt delegiert haben. Gleichzeitig führen Sie aber auch Fehlentscheidungen der Stadt Wülfrath an ohne diese zu benennen. Da kann man schon mal auf den Gedanken kommen, dass Sie Ihre Verantwortung in diesem Zusammenhang ausblenden. Ich bin aber gerne bereit Ihnen an dieser Stelle auf „die Sprünge zu helfen“.

Tatsächlich war es ein Fehler das alte Rathaus abzureißen, sich in das Dienstleistungszentrum für viel Geld einzumieten, um es dann letztendlich zu erwerben. Unabhängig davon, dass der alte Standort gut am Öffentlichen Busnetz angeschlossen war, sind die Mietzahlungen verlorenes Geld.

Auch der Abriss der Stadthalle und der Bau des Einkaufszentrums war eine Fehlentscheidung. Daran haben auch die Jahre nichts geändert. Nun fürchtet unsere Fraktion zudem, dass die Übernahme des Wülfrather Real-Marktes durch Edeka für den Anger-Markt zur Belastungsprobe wird.

Sprachlos hat uns die Feststellung des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Martin Strässer, gemacht. Aus seiner Sicht ist es ein Fehler, dass Wülfrath ein eigenes Jugendamt behalten habe, da die Sozialkosten für unsere kleine Stadt zu hoch seien. Diese Äußerung verrät elementare Wissenslücken.

Das Jugendamt unterstützt Eltern und Erziehungsberechtigte bei der Erziehung, Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen. Dabei setzt es auf vorbeugende, familienunterstützende Angebote, die dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für Familien zu schaffen.

Das Aufgabenspektrum reicht von der Organisation der qualitätsvollen Kinderbetreuung über die Erziehungsberatung und - Hilfe sowie den Schutz des Kindeswohls,  Eingliederungshilfe, Vormundschaften/ Beistandschaften und Unterhaltsvorschuss bis hin zur Förderung von Angeboten für Jugendliche und zur Schaffung einer kinder- und familienfreundlichen Umwelt.

Zumindest wurde erkannt, dass das Wülfrather Jugendamt gute Arbeit leistet. Nicht erkannt wurde, dass Kinder und Jugendliche in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung die beste Unterstützung erfahren, wenn die notwendige Nähe gegeben ist. Eltern und Kinder brauchen kurze Wege und Ansprechpartner:innen, die die Situation vor Ort kennen und ein tragfähiges Netzwerk aufgebaut haben. Nur so können Benachteiligungen vermieden oder abgebaut werden. Hierzu trägt auch die gute Arbeit des Kinder- und Jugendhauses als zentrale Einrichtung der Fachgruppe Jugendförderung des Jugendamtes der Stadt Wülfrath bei. Pädagogische Erfolge lassen sich leider nicht immer eins zu eins in Euro darstellen. Daher möchten wir nachfolgendes Beispiel näher bringen.

2008 hat die Stadt Bad Honnef mit 25.759 Einwohner:innen den Ausstieg aus dem Solidarverband des Rhein-Sieg-Kreises gewagt und ein eigenes Jugendamt aufgebaut. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Stadt rund vier Millionen Euro pro Jahr an den Kreis als Jugendamtsumlage gezahlt. Das eigene Jugendamt hat im Folgejahr der Stadt lediglich 3,8 Mio. Euro gekostet. Angesichts sich wandelnder Aufgaben aller Jugendämter - genannt sei nur das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) - hätte sich für die Stadt Bad Honnef auch die Kreis-Umlage geändert. Auch hierzu eine Zahl aus deren Etat-Entwurf: Die zu leistende Jugendamtsumlage hätte zum damaligen Zeitpunkt 5,3 Millionen Euro betragen.

Denken wir einmal rein theoretisch: Würde der Kreis - und Herr Strässer sollte wissen, dass der Kreis Mettmann in seiner Geschichte nie über ein Kreisjugendamt verfügt hat – als öffentlicher Träger der Sozialhilfe diese Aufgaben des Wülfrather Jugendamtes wahrnehmen, wäre damit nicht automatisch eine finanzielle Entlastung verbunden. Über die Kreisumlage würden der Stadt die anteiligen Kosten in Rechnung gestellt. Am Beispiel der Stadt Bad Honnef sollte deutlich geworden sein, dass Wülfrath auch aus fiskalischer Sicht mit dem eigenen Jugendamt gut bedient ist.

 

Nun aber zurück zum Antrag eines Schwarz-Grünen-Bündnisses, der jeden Wülfrather Haushalt der Gefahr auszusetzt, dass der festgesetzte Schuldenabbau in Höhe von mindestens eine Million Euro, nur über Kürzungsorgien, dem Verscherbeln von Grundstücken oder zusätzliche finanzielle Belastungen für die Bürger:innen zu realisieren ist. Letzteres ist in einer Zeit, in der die Inflation auf dem höchsten Niveau seit Herbst 1993 ist, steigende Energiepreise diese weiter anheizen und viele Bürger:innen bereits zum jetzigen Zeitpunkt einer extremen finanziellen Belastung ausgesetzt sind, nicht vertretbar.

Zudem schränken wir uns in unserer Handlungsfähigkeit ein und machen uns vollends von Fördermitteln abhängig. Ohne solche können perspektivisch weder erforderliche Klimaschutzmaßnahmen noch der Ausbau eines zukunftsorientierten Mobilitätsnetzes in Angriff genommen werden.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen, verurteilen Wülfrath mit Ihrem Sparzwang zum Stillstand. Daran wird sich unsere Fraktion nicht beteiligen. Die Ratsfraktion DIE LINKE/Wülfrather Liste lehnt den Haushalt ab.

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