Haushaltsrede 2024

Haushaltsrede 2024
der Vorsitzendender der Fraktion DIE LINKE/Wülfrather Liste
im Rat der Stadt Wülfrath
Ilona Küchler
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,

lassen Sie mich mit den positiven Aspekten beginnen:

Da wären als erstes die Mitarbeitenden der Verwaltung zu nennen, die in den Fachausschüssen und im Rat Fragen beantworten und die Politik per Mail mit Informationen versorgen und dabei stets einen respektvollen Umgangston wahren. Dafür herzlichen Dank.

Kaum im Amt, musste Kämmerer, Sebastian Schorn, einen Haushaltsplanentwurf samt Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Eine wahrlich nicht zu beneidende Aufgabe. Wissend, dass mit der Einbringung für Sie und Ihr Team die Arbeit nicht getan ist, sondern Sie bis zur Verabschiedung - neben Ihrem Tagesgeschäft - Veränderungen berücksichtigen und in den Entwurf einpflegen müssen, möchten wir Ihnen an dieser Stelle für die vertrauensvolle Begleitung der Haushaltsberatungen danken.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch wenn eine auskömmliche Finanzierung der sozialen Infrastruktur ohne Unterstützung von Bund und Land kaum zu schultern ist, hält die Wülfrather Politik an Einrichtungen wie der Wasserwelt, des Jugendhauses, der Medienwelt - sowie an dem, von Ehrenamtlichen betriebenen WIR-Haus, dem Zeittunnel und dem Niederbergischen Museum fest und erkennt deren Wert für die Stadtgesellschaft an.

Wer aufmerksam zuhört, hat bemerkt, dass ich die Freizeitanlage Hammerstein bei der Aufzählung außer Acht gelassen habe. Dies habe ich getan, da die Anlage noch nicht existiert und es in den Sternen steht, ob ein passender Fördertopf aufgestellt wird und Wülfrath in den Genuss entsprechender Fördermittel kommt. Denn nur dann - so die Mehrheitsbekenntnisse - würde die Anlage realisiert.

2020 wurde Kindern und Jugendlichen suggeriert, dass ihr Wunsch - ihnen einen Platz zu geben - Gehör findet. Das ist nun vier Jahre her. Diese Kinder und Jugendlichen haben Versprechungen bekommen, sich womöglich Hoffnungen hingegeben und wurden letztendlich gar enttäuscht. Das sollten wir uns bewusst machen. Gerade mit Heranwachsenden müssen wir ehrlicher und sensibler umgehen. Insofern ist es mir wichtig, an dieser Stelle offen zu kommunizieren. Auch wenn der politische Wille vorhanden ist, sollten wir - Verwaltung und Politik - auch nach anderen Lösungen suchen, um jungen Menschen Raum in ihrer Stadt zu geben.

Etwas Neues und Tolles für Kinder und Jugendliche in der Stadt zu realisieren, kann eventuell auch über die Ansprache von Stiftungen und Unternehmen gelingen. Der Stadt Obertshausen in Hessen ist es auf diese Weise gelungen eine stattliche Summe zu generieren. Tatsächlich müssten wir bei der angedachten Trendsportanlage ein paar Abstriche vornehmen, aber ein Versuch wäre es wert. Dass im Bereich der freiwilligen Leistungen der Rotstift nur zaghaft zum Einsatz gekommen ist, begrüßen wir.

Unsere Fraktion hätte es für vertretbar gehalten auch an dem geringen Zuschuss für den Walking-Act festzuhalten. Dieses Signal hatten auch einige Mitglieder des Fachausschusses gesendet. Für viele Vereine hat dieser einen wichtigen Stellenwert und das haben diese zuletzt noch einmal in ihrem Appell zum Ausdruck gebracht.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"Hand aufs Herz". Wer haucht Wülfrath noch Leben ein?

Es sind die Betreiber des WIR-Hauses. Ein Haus auf das wir stolz sein dürfen und das - so meine Wahrnehmung - zum jetzigen Zeitpunkt von keiner Fraktion infrage gestellt wird.

Es ist der Zusammenschluss der Kulturvereine in Wülfrath.

Es sind die Ehrenamtlichen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, das Niederbergische Museum zu betreiben,

Es ist die Zeittunnel-Genossenschaft, die dem Abbautunnel des Bochumer Bruchs ein "zweites Leben geschenkt hat" und 400 Millionen Jahre Erdgeschichte in Wülfrath weiter erlebbar macht.

Es sind die Sportvereine, die für Groß und Klein ein Angebot schaffen und nicht müde werden, dieses auch ohne die Inanspruchnahme der Sporthalle Fliethe aufrechtzuerhalten.

Die freiwilligen Leistungen, die Wülfrath noch aufbringen kann, sind im Vergleich zu diesem Engagement verschwindend gering.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, Christopf Landscheidt, äußerte bereits im Herbst 2023 die Sorge, dass 60 Prozent der NRW-Kommunen in die Haushaltssicherung rutschen könnten. "Ohne eine stärkere Finanzierung durch das Land und letztlich durch den Bund stehen die NRW-Kommunen vor einem Systemkollaps. Die einzige Einnahmequelle, die die Kommunen direkt beeinflussen können, sei die Grundsteuer", so die Worte Landscheidts.

An dieser Schraube dreht nun auch Wülfrath wieder. Und zwar heftig.

Rückwirkend zum 01.01.2024 soll die Grundsteuer B von 615 auf 720 Prozentpunkte angehoben werden. Aber damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Bis zum Jahr 2034 ist ein Anstieg auf 870 Prozentpunkte geplant.

Bei dem von uns geforderten moderaten Anstieg des Gewerbesteuerhebesatzes von 440 auf 475 Prozentpunkte, wurde unter anderem das Argument vorgetragen, dass Betriebe Planungssicherheit bräuchten und eine rückwirkende Anhebung aus diesem Grunde unvorstellbar ist.

Wie sieht es eigentlich mit der Planungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger aus?

Diese wurden bereits immer wieder mit Erhöhungen konfrontiert - zuletzt 2021. In besagtem Jahr hatten kleine und mittelständische Unternehmen sowie die IHK diese Erhöhungen kritisiert. Steuererhöhungen seien negative Signale war seitens dieser Verbände zu hören. Wirtschaftsunfreundlichkeit und eine Schwächung der Standortqualität, wurde mit der Erhöhung der Grundsteuer B assoziiert.

2024 meldet sich die IHK erneut zu Wort. Die Kammer hat vernommen, dass in Wülfrath die Anhebung der Gewerbesteuer zur Diskussion steht. Entsprechend groß die warnenden Worte.

Erlauben Sie mir, mein Erstaunen zum Ausdruck zu bringen, dass die warnenden Worte bei der massiven Anhebung der Grundsteuer B in diesem Jahr ausgeblieben sind.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits bei der Haushaltsverabschiedung 2018/2019 haben wir kritisiert, dass die Bürgerinnen und Bürger zur Schließung des Haushaltslochs herangezogen werden, indem sie mit der Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes belastet werden.

2021 habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass Grundsteuer-B-Anhebungen kein nachhaltiges Haushaltskonsolidierungsmittel sind und davor gewarnt, dass die nächste Anhebung in Sicht sei. Ich wünschte, ich hätte mit meiner Prognose falsch gelegen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mangelnde Refinanzierung bei der Unterbringung, Betreuung und Integration von geflüchteten Menschen,

nicht auskömmliche Finanzierung der Kindertageseinrichtungen,

ein zu geringer Zuschuss beim Ausbau der Offenen Ganztagsschulen - dieser deckt nur einen Bruchteil der notwendigen Investitionen ab - sind nur wenige Punkte, die deutlich machen, warum einer Kommune wie Wülfrath die Ausgaben "über den Kopf" wachsen.

Hinzu kommt, dass seit über 20 Jahren die Regierungen das Geld für bezahlbares Wohnen, Bildung, Pflege und Gesundheit zu gering bemessen oder gar eingefroren haben.

Steuern für die Reichen wurden gesenkt, die Vermögenssteuer 1997 abgeschafft und die Schuldenbremse zur Religion erhoben. Dies alles hat dazu geführt, dass zahlreiche Kommunen am Rande der Leistungsfähigkeit angekommen sind.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn Wülfrath sich zukunftsfähig aufstellen möchte, sind Investitionen unumgänglich.

Der Bau der neuen Feuerwehrwache ist schon lange überfällig und nun beschlossene Sache. Dies ist eine richtige und wichtige Entscheidung für Wülfraths Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Freiwillige Feuerwehr.

Die baulichen Erweiterungen im Rahmen der OGS-Entwicklung sind nicht nur ein Muss, sondern aufgrund des aufwachsenden Rechtsanspruchs zwingend geboten. Dies bedeutet, dass Wülfrath Geld in die Hand nehmen muss, da das Land – wie gesagt - nur einen Bruchteil der Kosten übernimmt.

Investitionen in Kitas und Schulen sind Investitionen in die Zukunft.

Für das Aufwachsen der Kinder vor Ort und eine gute Entwicklung wären moderne Aufenthalts- und Lernflächen wünschenswert. Gemeinsames Spielen und Lernen braucht nicht nur eine technisch solide Ausstattung, sondern auch geeignete Räume und eine kluge, auf die Anforderungen des pädagogischen Konzepts ausgerichtete Architektur. Auch an dieser Stelle sind wir als Kommune finanziell gehandicapt. Eine auskömmliche Unterstützung von Bund und Land ist erforderlich, wenn man das Auseinanderdriften der Gesellschaft - reiche Städte, arme Städte - eindämmen möchte.

Aufenthaltsqualität, Verkehrswende, Ausbau öffentlich geförderter Sozialwohnungen (dieser wurde in Wülfrath in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt) sowie Klimaschutz sind von Bedeutung und müssen vorangetrieben werden. 

Zum Klimaschutz zählt auch, Flächenwachstum für Siedlungen und Verkehrsinfrastrukturen zu reduzieren und den Landschaftsverbrauch zu minimieren. Die Bebauungspläne für den Flehenberg sehen wir daher kritisch.

Übrigens: Auch Einsparpotenziale wurden in der Vergangenheit leider verkannt. 2015 hatte unsere Fraktion den Einsatz intelligenter Heizungssteuersysteme an Schulen – die übrigens auch für Kitas oder Verwaltungsgebäude interessant sind – gefordert. Mittels modernster Technik hätten wir ein Einsparpotenzial von 15 – 20 Prozent generieren können. Der Antrag liegt nun neun Jahr zurück. Welch Verschwendung von Energie und finanziellen Mitteln.

Doch nicht nur am Willen oder finanziellen Ressourcen, auch am fehlenden Personal, scheitern manche Vorhaben oder müssen geschoben werden. Da wären z.B. die heiß diskutierten Straßenerhaltungs- und instandsetzungsmaßnahmen zu nennen.

Mitarbeitende für städtische Verwaltungen werden nicht nur von Wülfrath händeringend gesucht. Hier befinden wir uns in Konkurrenz zu Großstädten, zu Kreisverwaltungen und/oder Unternehmen.

Dass Wülfrath erfahrene und motivierte Mitarbeiterinnen für leitende Funktionen gewinnen konnte, kommt in diesen Zeiten einem Sechser im Lotto gleich.

Und ich möchte nicht verhehlen, dass ich mich besonders über die weibliche Verstärkung in der Verwaltung freue. Bei allem Respekt gegenüber der Männerriege, denke ich, dass dies ein Gewinn für alle Seiten ist.

Gemischte (Führungs-) Teams sind nachgewiesenermaßen gut – zudem belegt eine Studie, dass Frauen selbst ein Erfolgsfaktor sind, weil sie anders führen: Tendenziell sind sie weniger autoritär, es gibt mehr Miteinander. Und sie arbeiten analytisch und lösungsorientiert.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie können sich denken, dass es noch eine Reihe von Themen gibt, die es anzusprechen lohnen würde. Ich bin mir sicher, dass ich an der einen oder anderen Stelle Gelegenheit haben werde, dies zu tun. Daher möchte ich nun zum Ende kommen.

Nach meinen Ausführungen wird es Sie nicht überraschen, dass unsere Fraktion den Haushaltsplanentwurf sowie das Haushaltssicherungskonzept ablehnen.

Bei aller Unterschiedlichkeit freue ich mich in der kommenden Zeit auf sachlich geführte Diskussionen mit Verwaltung und Politik und bedanke mich, dass Sie mir heute Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.

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